#17 +++Corona-Blog+++

Prädikat wertvoll: Das Corona-Zeugnis oder kein Bock mehr auf die Coronaschool

Langsam reicht‘s. Corona geht mir wirklich auf die Nerven. Heute kam ein Haufen Zettel aus der Schule zurück: „Warum ist davon so wenig bearbeitet, zu viel, zu schwer?“ Vermerk: Bitte nachfragen. Ich komme mir vor wie eine überforderte, berufstätige Mutter, die das Schulgeschehen ihrer Tochter vernachlässigt. Dann fällt mir ein: Ich bin eine überforderte, berufstätige Mutter, die das Schulgeschehen ihrer Kinder (jedenfalls zeitweise seit vier bis sechs bis elf Wochen!) vernachlässigt, also nicht die perfekt-perfekte Homeschoolmutter, sondern sagen wir mal: Note befriedigend.

Im meinem Zeugnis zum Schuljahresende wird stehen: Immerhin schafft Inga es, die Kinder pünktlich zu den richtigen, alternierenden Stunden in die Schule zu schicken, mit Frühstück und Aussicht auf ein meistens sogar warmes Mittagessen. Sie überblickt, dass der Sohn seine Hausaufgaben erledigt und dass die Tochter schreiben und lesen lernt in befriedigendem Maß. Mathematik kommt bei ihr definitiv zu kurz. Das liegt ihr zwar, aber es hat ihr noch nie Spaß gemacht. Geometrie hingegen, da leuchten ihre Augen. Das kann sie sehr gut, also macht sie sich mit ihrer Tochter auf die Suche: Wo finden wir in der Wohnung Dreiecke, Pyramiden, Würfel und Quader? Ist der Apfel eine Kugel? Aber was ist mit der Olive? Und dann schneiden wir aus Moosgummi geometrische Formen aus, die kleben wir auf Gegenstände und stempeln damit herum. Denn Kunst war schon immer Ingas Lieblingsfach. Und Deutsch. Geschichten schreiben. Deshalb ist Inga leider sehr ungeduldig mit ihrem Sohn, wenn er immer noch die Satzanfänge klein schreibt und sie nicht klimaktisch ordnen kann. Nein, wirklich, in Geduld gibt es höchstens ein Ausreichend bei Inga. Mit minus.

NaWi ist wiederum mit gut bis befriedigend zu bewerten, da bemüht sich Inga und geht mit ihrem Sohn Sand für Experimente suchen (bevor sie Interviews führen muss); die Kinder dürfen Öl mit Wasser mischen und Pizza backen (während ein Text korrigiert werden muss), und sie lernen gemeinsam Blütenpflanzen kennen. Inga weiß jetzt sogar wieder, wie das mit der Fotosynthese war (trotz Verlagsdeadline). Komisch, dass Inga immer das Gefühl hat, nichts so richtig machen zu können und stets ihren Ansprüchen hinterher zu hängen.

Extrapunkte konnte Inga durch das Vorleben eines nachhaltigen Lebensstils sammeln. Leider fließen diese nicht in die Gesamtnote ein, aber sie werden in einer Siegerurkunde erwähnt: Gemüseanbau und -Verwertung, das fällt in den Nachmittagsbereich, das weite Feld der AG’s. Und nicht zu vergessen die digitale Bildung, die Inga ihrem Sohn vermittelt – leider irrelevant fürs Zeugnis, aber sonst und vielleicht in Zukunft seeeeehr wertvoll. Die tut hier nichts zur Sache, es geht um eine Gesamtnote für dieses Schuljahr, und da zählen nunmal die Hauptfächer! Und besonders zählen die Zettel und die Hefte. Also weniger Phantasie und mehr Handfestes. Schade, Inga! Insgesamt kann sich das Kollegium auf ein (noch) befriedigend einigen, auch wenn wir die Bemühungen und die Belastung erkennen‚ unter der sie- und dann noch ein systemrelevanter Mann, na, das hat schon für Diskussionen unter den Fachlehrer:innen gesorgt, da ging es um die Tendenz, ob die jetzt nach unten zeige. Aber keine Sorge: Die Versetzung ist nicht gefährdet. (Aber diese Zettel. Diese blöden, doofen zuvielen Zettel. Eindeutige negative Tendenz, dass die jetzt nicht geschafft sind…)

Und trotzdem fragt man sich sogar: Was hätten die Kinder alles verpasst, wenn Corona nicht gewesen wäre? Was haben sie alles gelernt? Und wie hat Corona sie verändert?

Noch knapp drei Wochen, dann ist es soweit: Dann wird belohnt, was wir Eltern geleistet haben oder auch nicht. Zum Glück sind die Verschlechterungen qua Homeschool von vorn herein verboten worden. Wobei: Jetzt wurden notenrelevante Tests in der 5. Klasse geschrieben – wozu, wenn nicht um unsere Hauslehrer:innenqualitäten abzuprüfen? Ich bin angesichts der hanebüchenen Umstände mit meiner 3- jedenfalls zufrieden. Alles andere wäre gesundheitsschädlich.

Veröffentlicht von stadtlandfrau

Dr. Inga Haese, Soziologin, Gärtnerin, Leserin, Mutter, Feministin, Kirchenaktivistin. Lebt in Berlin und bei Storkow in Brandenburg.

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