Eine interessante Woche war die dritte Woche in diesem Kalenderjahr – interessant für alle, die sich mit geschlechtsspezifischen Zuschreibungen, Wehrhaftigkeit und Militär beschäftigen. Es ist etliche Jahre her, dass ich Soldatinnen in Israel zu ihren parodistischen oder auch Geschlecht herstellenden Praktiken im militärischen Alltag interviewt habe, aber das Thema ist aktueller als je zuvor, so scheint es: Plötzlich können wir von „den Soldaten“ lesen, die einen „starken Verteidigungsminister“ verdient hätten, so als hätte es die Öffnung für Frauen zur soldatischen Karriere nie gegeben und als wäre jede Verteidigungsministerin per se nicht stark und durchsetzungsfähig gewesen. Ein Grund, genauer hinzusehen, was die schleichende Militarisierung mit unserer Gesellschaft macht.
Es war 2007, als ich meine Arbeit über die weiblichen Aneignungspraktiken im israelischen Militär geschrieben habe. Damals konnte ich von der Kampfsoldatin über die leitende Offizierin bis zur pädagogischen Einsatzkraft eine ganze Bandbreite der Einsatzfelder für Soldatinnen erschließen und ihre Protagonistinnen, allesamt junge, israelische Soldatinnen, interviewen. Mir ging es um die Wehrpflicht für alle: Welche Auswirkungen auf die Geschlechterverhältnisse können wir beobachten, wenn Männer und Frauen gemeinsam zum Wehrdienst eingezogen werden?
Bei genauem Hinsehen stellte sich heraus, dass die israelische Gesellschaft trotz des „gleichverpflichtenden“ (von Recht kann hier nicht die Rede sein) Grundwehrdienstes höchst stabil von einer massiven Geschlechterhierarchie geprägt ist. Damals wendete ich Bourdieus Konzept der männlichen Herrschaft auf die israelische Gesellschaft an, um zu zeigen, warum trotz gleicher Grundausbildung bei der IDF eine binäre Geschlechterordnung stabilisiert und Frauen sogar stärker abgewertet und objektiviert werden, obwohl sie durch den Wehrdienst symbolisch genauso für Wehrhaftigkeit stehen könnten wie ihre männlichen Altersgenossen – sie aber ganz im Gegenteil, als (Kampf-)soldatinnen erst recht Sexismen ausgesetzt sind.
Warum waren die Differenzen nach Geschlecht in Israel so stark ausgeprägt wie in kaum einem anderen OECD-Staat (Deutschland ausgenommen) was Gender Pay Gap, Gender Pension Gap und Teilhabe an machtvollen Positionen in Staat und Gesellschaft betrifft? Das war die Frage, die mich antrieb. Gute Forschung dazu machte Uta Klein, in Israel gibt es Orna Sasson-Levy, die ich damals ebenfalls interviewen durfte. Knapp zusammengefasst kam heraus, dass weibliche Soldatinnen lange Zeit von Kampfhandlungen ausgeschlossen waren und sich Geschlechterdifferenzen darüber noch verstärken konnten: Die dichotome Konstruktionslogik von Geschlecht und die binären Muster stark/schwach, beschützend/zu beschützen, gewaltvoll/friedfertig wurden angeheizt und der Mythos der wehrhaften Männlichkeit unterfüttert. Ich konnte eine der wenigen Kampfsoldatinnen der Kampftruppe interviewen, die es damals gab, deren Praktik die Aneignung von Symbolen der Männlichkeit („I broke my Penis“) war. Was deutlich wurde: eine Gesellschaft im Kriegszustand kann, auch mit Frauen im Militär, keine Gleichstellung der Geschlechter leisten, sondern sie verstärkt massiv die Konstruktion einer binären Geschlechterordnung.
Die Mär von der friedfertigen Frau, sie prägte seit den napoleonischen Kriegen die europäischen Geschlechterverhältnisse. Die soldatische Disziplin und Ordnung, mit der das preußische Militär in Verbindung gebracht wurde und die es zu zweifelhaftem Ruhm brachte, entstand nicht zufällig gleichzeitig mit dem Aufstieg der bürgerlichen Geschlechterordnung im 19. Jahrhundert, die Frauen in die Sphäre des Privaten verbannte und Männern den Austausch in neu entstanden Öffentlichkeiten ermöglichte, Karin Hausen und Jürgen Habermas sind hier Referenzen. Tatsächlich stand der Mythos des preußischen Soldaten mit einer Verordnung des preußischen Landrechts in Verbindung: das Ammenverbot, das Frauen das Stillen ihrer Kinder verordnete, trat in der Zeit der napoleonischen Kriege in Kraft und sollte die Kindersterblichkeit verringern bzw. ausreichend gesunde, wehrhafte Soldaten hervorbringen. Der Muttermythos war geboren, die Geschichte ist bekannt. Im Nationalsozialismus wurde dieser Kult auf die Spitze getrieben und die wehrhafte Männlichkeit zur absurden Religion der Gewalt erhoben, mit all ihren menschenverachtenden und vernichtenden Konsequenzen.
Jede Militarisierung hat zur Folge, dass die binären Konstruktionen von Wehrhaftigkeit und Schwäche verfestigt werden. Sie verlaufen, wie wir aktuell beobachten können, anhand der Linie von Geschlechterstereotypen. Sprachliche Nuancen kehren plötzlich eine Haltung hervor, die zu einer lange überwunden geglaubten Zeit zurückführen: „Unsere Soldaten haben einen starken Verteidigungsminister verdient.“ Es sind Äußerungen, die unweigerlich auf die militärische Konstruktionslogik des wehrhaften, starken Mannes und der zu beschützenden, schwachen Frau abzielen, die sich hier leise einschleicht. Das Machogehabe von Putin scheint seine Wirkung zu entfalten: Wir brauchen einen durchsetzungsstarken Verteidigungsminister, und einer, der gedient hat, steht gewiss eher für das Charakteristikum als eine Frau wie Christine Lambrecht, die ihre Mutterschaft öffentlich macht und Pannen produziert hat, die genüsslich medial ausgeschlachtet wurden. Wie weit unsere Gesellschaft davon entfernt ist, die Hierarchie der Geschlechter hinter sich zu lassen, es ist in der Art und Weise der Berufung von Pistorius und ihrer Kommentierung einmal mehr ersichtlich.
Putins Männlichkeitsethos, er verfängt langsam und schleichend – jetzt in dem Ruf nach „Kriegswirtschaft“, so bemerkt die Tagesschau zur aktuellen Rhetorik. Waren wir nicht schon viel weiter? Waren das alles Lippenbekenntnisse, #spd?
Liest man die Interviews mit Soldaten der dt. Wehrmacht, welche am Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion beteiligt waren, so berichten diese, dass besonders die Kämpferinnen der Roten Armee extremen Gewalttaten ausgesetzt waren, wenn sie in Gefangenschaft gerieten. Der Restanstand, der von Deutschen noch in der Ausnahme (!) den sowjet. Soldaten entgegengebracht ward, galt für Soldatinnen niemals! Da dieser Geist, der Spirit der Wehrmacht, als verwirrte Tradition institutionell sich noch erhalten konnte, wundert die Haltung in unserem Militär und derselben Regierung leider nicht. Gewalt gebiert immer neue Gewalt. Somit können also auch Männer gebären (nicht nur die männl. Hasen vergangener Zeiten).
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