Coronaferien in Brandenburg

Es war ein kühler Sommer in diesen Ferien, nicht so wie der August, verbrannt und heiß. Doch die Corona-Großwetterlage sprach gegen das Reisen in sonnige Urlaubsgebiete, eigentlich sogar gegen jegliche Reisen ins Ausland. Obwohl sich die Spanier und Spanierinnen über unseren Besuch sicherlich gefreut hätten, die spanische Wirtschaft sowieso. Die erneute Reisewarnung, ausgegeben wurde, sie trifft auf die ohnehin schon höchste Jugendarbeitslosigkeit in Europa. Die Milliarden, die Scholz mit seiner Bazooka verteilt hatte, werden wohl in Deutschland bleiben anstatt an den Stränden von Malaga, Mallorca oder Barcelona ausgegeben. Ob das Kalkül ist oder einfach wie nur Tragik, ich weiß es nicht. Jedenfalls verbrachten wir den zweiten Urlaub in Brandenburg am Scharmützelsee: Das vielfältige Kulturangebot kann es auch mit der Costa Brava aufnehmen, wenn auch die Sprache, das Meer und das Klima fehlen.

Märkisches Meer

Tatsächlich hat die märkische Region touristisch so viel zu bieten, dass sich entfernte Erholungsreisen auch in Zukunft nur schwer legitimieren lassen. Die ganze Familie kommt rund um den großen Scharmützelsee, der wegen seines wohltuenden Seeklimas auch „Märkisches Meer“ genannt wird, auf ihre Kosten: Vom Wake-Bord-Park in Petersdorf bis hin zum Burgmuseum in Storkow, vom Alpin Coaster bis zum Kletterwald kann jedes Urlaubsbedürfnis von Groß und Klein in der Region befriedigt werden. Im nahe gelegenen Beeskow wiederum bekommen Mittelalterliebhaber eine top erhaltene und restaurierte Stadtmauer aus dem 13. Jahrhundert zu Gesicht, an der man die Stadt umrunden und die alten Burgtürme bewundern kann.

Scharmützelsee
Beeskow

Die Mark Brandenburg, nahe an der polnischen Grenze gelegen, hat eine bewegte und lange Geschichte, was auch die alte Burg und das Schloss Hubertushöhe in Storkow bezeugen. In der Burg lohnt sich ein Ausstellungsbesuch mit Kindern, es gibt Reliquien aus der Ritterzeit und Historisches aus Zeiten ostelbischer Gutsherrschaft zu besichtigen.

Heinz Sielmann war auch schon da

Ebenfalls lohnenswert für die ganze Familie ist ein Besuch in der Fischerei Köllnitz, hinter der die Groß Schauener Seenlandschaft bei Storkow beginnt. Rund um die heimischen Fischadler und das Lieblingstier von Heinz Sielmann, den Fischotter, dreht sich eine kleine, aber feine Ausstellung auf dem Gelände der Fischerei – hier sollten Besucher besonders die moderne, technikbasierte Ausstellung aufsuchen, die neben dem etwas in die Jahre gekommenen Fischereimuseum zu finden ist. Allerdings erfährt man dort spannende Details, etwa über Aale, die Tausende Kilometer durch den atlantischen Ozean zurücklegen, um ihre Eier abzulegen.

Alles rund um Fischadler

Am Seeufer informiert ein Pavillon über Heinz Sielmanns Tierfilme und wir erfahren, dass seine Stiftung hier im brandenburgischen Dahme-Seengebiet über 1000 Hektar Naturlandschaft betreut, durch den auch ein Naturlehrpfad führt. Seit 2001 ist die Sielmann-Stiftung in der Seenlandschaft um Storkow tätig, es soll sogar wieder Wildpferde geben. Wie nachhaltige Fischerei funktioniert, kann man sich bei einem frischen Fischbrötchen auf dem Fischereigelände höchstselbst anschauen. Und wer es lieber gediegen und hochwertig angehen lassen will, der sucht das Innere des schönen Restaurants „Köllnitzer Fischerstuben“ auf oder lässt sich auf dessen Terrasse nieder.

Beachlife

Auf dem Weg zurück an den Scharmützelsee passieren wir das Strandbad von Storkow, das mit Sprungbrettern und Rutsche in den Storkower See zum Planschen einlädt. Ende August öffnet das „Alinæ Lumr“- Festival in Storkow seine zahlreichen Bühnen für Besucher:innen, auch das ein Highlight in der Region – nur dieses Jahr coronabedingt leider nicht. Also geht es durch die hügelige Landschaft nach Bad Saarow zurück, vorbei an Wald und Wiesen, einem Gestüt; man darf staunen über den idyllischen Fahrradweg.

Strandbad Storkow

Auch in Bad Saarow kommt der Gast aus dem Staunen nicht heraus, wenn auch mit befremdlichem Beigeschmack: Die protzigen Luxusvillen und Yachten, die den Uferweg am Scharmützelsee säumen, zelebrieren ihre Abgeschiedenheit mit Exklusivität und unter Ausschluss der Allgemeinheit, gerade so, als gäbe es ein käufliches Recht auf gesundes Klima und Erholung am See. Der Golfplatz, der weiter südlich am Westufer entstanden ist, möchte als Ressort zu diesem exklusiven Flair beitragen – doch einige Kilometer weiter wähnt man sich wieder im liberalen Holland oder Schweden, dort nämlich, wo ein blaues Ferienhäuschen ans andere grenzt, eine Frühstücksterrasse an die nächste und die Surfschule samt Kajakverleih am Seeufer alle Besucher:innen magnetisch anziehen. Wendisch-Rietz heißt dieser Ort, der ein wenig wie eine Playmobilsiedlung aussieht und wirklich nichts mit dem protzigen Anstrich von Bad Saarow zu tun hat.

Sozialistisch ist nur noch der Straßenname

Gelangt man an den früher als Strandbad bekannten Stadtteil „Bad Saarow-Strand“, ist vom DDR-Charme kaum etwas übrig außer der großzügigen Wiese am Seeufer und den Resten einstiger sozialistischer Volkskultur: Ein Restaurant mit Tanzsaal muss es hier einst gegeben haben, eine Bühne gar und Umkleideräume, an der Ecke Friedrich-Engels-Damm stand früher sogar ein Kino. Heute verweist eine Ankündigung auf geplante Luxuswohnungen mit Yachthafen von David Chipperfield, sozialistisch ist hier nur noch der Straßenname.

Berliner:innen kennen das: Ein Moment, in dem die Geschichte ihren Atem anhält. Das Alte ist noch da, das Neue nur angekündigt.

Wobei ich nicht unfair sein will: Die alten Villen, die in Saarow um die Jahrhundertwende und in den goldenen Zwanziger Jahren entstanden sind, um reichen und kultivierten Berliner:innen als Wochenenddomizil zu dienen, sind noch immer wunderschön, verspielt, elegant. Die Fassaden zeigen architektonische Anlehnungen an die Seebäder bei Lübeck, aber auch an viktorianische Landsitze mit ihren Holzfassaden und Erkern, oder mit Reetdach wie das Thorak-Haus. Maxim Gorki residierte angeblich in einer der Villen. Manche der Gebäude wurden aufwändig restauriert, andere verfallen weiterhin in tiefem Dornröschenschlaf, als Denkmäler einer DDR-Zeit, in der allzu augenfälliger Luxus verabscheut wurde.

Porsche neben SUP-Board

Ein Relikt aus vergangenen Zeiten, das es spielend mit der Segelyachtschickeria aufnimmt, ist das Café Dorsch, ältestes Café und Restaurant Bad Saarows. Stilvoll und schick trotz seiner Jahre thront es über dem Anleger für kleine und mittelgroße Segelschiffchen am Seeufer und lädt vom Stand-up-Paddler bis zum Kleingartenbesitzer jeden auf einen Drink ein, der durch den Kiefernwald herfindet. Bad Saarow hat trotz der umworbenen Klientel aus Golfern, Reichen und Schönen seinen DDR-Charme ein wenig beibehalten, was den Ort angenehm von Starnberg oder Rottach-Egern unterscheidet.

Allerdings schwindet dieser Charme allmählich ganz dahin, wenn man den Erzählungen der Bad Saarower glauben darf: Das freie Strandbad wird privatisiert, um die letzten öffentlichen Zugänge zum See wird gestritten. Luxushotels und horrende Immobilienpreise verscheuchen die gewöhnlichen Saarower, offenbar soll sich der Ort nun vollends als Wohlfühlressort für die Superreichen einen Namen machen. Aber so lange es Streichelzoo und Kleingartensiedlung, Campingplatz und Göbels’ Biergarten und nicht zuletzt eine vernünftige Gemeindevertretung gibt, die das öffentliche Strandbad erstritten hat, ist für die Zukunft nichts Graviernderes zu befürchten als die Zunahme des berührungslosen Nebeneinanders von High-End-Apartments mit Privat-Spa auf der einen, erholungssuchenden Tagestouristen und jenen, die noch wissen, wie es früher war, auf der anderen Seite. Für ein solches Erlebnis profunder gesellschaftlicher Fragmentierung musste man früher an die Costa Brava oder an die Côte d’Azur fahren. Sie ist also auch wieder eine gelungene Attraktion in Brandenburg.

Bier, Wiener und Fritten gibt es an der Saarower Promenade, den Blick auf den Scharmützelsee
gratis dazu.

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Veröffentlicht von stadtlandfrau

Dr. Inga Haese, Soziologin, Gärtnerin, Leserin, Mutter, Feministin, Kirchenaktivistin. Lebt in Berlin und bei Storkow in Brandenburg.

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