Warum ist eigentlich der Tag nach der Heimkehr aus dem Urlaub immer so desaströs? Überdrehte Kinder, man selbst voller Zwiespälte ob der Innenstadtbezirk der richtige Wohnort ist, und eigentlich sollte man doch total erholt sein – so zumindest geht es mir, wenn der Urlaub vorbei ist.
Dabei hatten wir doch in diesem Jahr alles anders gemacht: Waren extra nicht ans Meer und auch nicht in die Berge gefahren. Stattdessen war unser Reiseziel denkbar gut zu erreichen gewesen – Bad Saarow in Brandenburg. Nur eine Stunde Autofahrt. Göttlich. Keine Stullen für die Fahrt schmieren, keine Streifzüge durch Supermärkte und Schreibwarenläden auf der Suche nach geeigneter Rücksitzbeschäftigung für die Kids, sondern einfach und schlicht 60 Minuten aus-dem-Fenster-Blicken und Kinder-Feststellungen wie „Da ist der BER, Mama. Schau mal, das Flugzeug auf dem Schild ist IMMER noch durchgestrichen!“ kommentieren, ruckzuck ist der Urlaubsort erreicht. (Bad Saarow ist ein schöner Kontrast zu Kreuzberg. Alles ist sauber und gepflegt, ein Kurort eben, mit Kurpromenade am großzügigen Seeufer und jeder Menge einladender Villen aus der Weimarer Zeit, ein Walmdach schöner als das andere, und mit kilometerlangen Rad- und Wanderwegen.) Nach zweieinhalb Wochen sind Arme und Beine braun, die Kinder entspannt, man selbst hat Seelenfriedenstufe 7 erreicht und als Paar schwebt man mindestens auf Wolke 6. Die Rückreise steht an.
Am Ende des letzten Urlaubstages stehen wir zu viert vor den gepackten Koffern und warten auf die Katze, die jetzt zu unserem Leidwesen eine Wildkatze geworden ist in all der Natur, die sie umgab. Schließlich kommt sie angeschlichen, misstrauisch wie Katzen sind, wenn sie Veränderungen wittern. Dann sitzt auch sie im Korb auf der Rückbank und die kürzeste aller Heimreisen, die wir je unternommen haben, beginnt.
Die Reise ist beendet, die Baustellen des Alltags schließen einen in die Arme
Die Ankünfte in unserer Straße gleichen sich stets: Auf alle Überraschungen gefasst stehen wir erwartungsvoll unter den Fenstern der Wohnung. Erleichtert stellen die Kinder fest, dass sie verschlossen sind. Dann öffnen wir die Haustür, riechen den gewohnten Geruch der Toreinfahrt. Dann: Die Schritte zur Wohnungstür, das schier ewig dauernde Drehen des Schlüssels, bis die Tür geöffnet und das erste Kind in den Flur stürmt. Den vertrauten Geruch unserer Wohnung in einer Mischung mit abgestandener Luft und etwas Undefinierbarem (der Abfluss?) in die Lungen ziehend, trete ich jedes Mal ein mit dem Gefühl von Neugier und Staunen, gepaart mit einem Hauch jener Vorahnung, dass der Alltag wie immer wird und der Urlaub jetzt wirklich vorbei ist.
Es ist ein zwiespältiges Gefühl, „Heim“ zu kommen. Denn Neugierde und Staunen ist binnen weniger Minuten – spätestens aber nach dem Öffnen langweiliger Briefstapel – der Erkenntnis gewichen, dass sich leider gar nichts verändert hat. Die Reise ist beendet, die Baustellen des Alltags schließen einen in die Arme. Nein, die Wäsche hat sich nicht in der Zwischenzeit selbständig vom ausgeklappten Wäscheständer im Wohnzimmer – um Gottes Willen, im Wohnzimmer? – sortiert. Auch die Bücher auf dem Boden hat niemand in unserer Abwesenheit eingeräumt, das Waschbecken nicht ordentlich gereinigt und die Steuererklärung beendet.
Der Energie des Urlaubs wohnt diese klitzekleine Option inne, diesmal alles anders machen zu können
Heimkommen bedeutet auch, mit sich selbst konfrontiert zu sein: Ja, so sah es tatsächlich aus, als wir losfuhren. Herzlich Willkommen in meinem Alltag, im echten Leben. Tschüss Urlaubswelt. Heimkommen ist der Moment, indem wir mit uns selbst und unseren Baustellen in Berührung kommen, ohne die Illusion des Besser-haben’s und Schöner-wären’s des Urlaubs schon ganz hinter sich gelassen zu haben. Denn der Energie des Urlaubs wohnt diese klitzekleine Option inne, diesmal alles anders machen zu können. Heimkommen ist die Hoffnung darauf, dass die Erlebnisse einer Reise sich auf den Alltag abfärben werden, einfach so.
Nur leider ist am Tag nach der Ankunft klar, dass es nicht einfach so geht. Diesem Tag wohnte noch nach jeder Rückkehr aus dem Urlaub ein Desaster inne. Kindergeschrei und Überforderung ob des leeren Kühlschranks, und zu allem Überfluss kreisen die Gedanken am Tag nach der Heimkehr um den Wohnbezirk, der in seiner Kinderfeindlichkeit kaum zu überbieten ist – ganz zu Schweigen von dessen Katzenfreundlichkeit.
Es gibt noch keine Struktur im Tag, aber die Umgebung suggeriert, es sei alles wie immer
Die urbane Familie, die im besten Fall aus ihren lichten, großzügigen und naturnahen Urlaubsdomizilen zurückkehrt, tut sich schwer mit dem Ankommen. Bei den Erwachsenen machen sich Zweifel angesichts des touristifizierten und überlaufenden Wohnquartiers breit, sie lassen einen auf Immobilensuchportalen landen, auf denen mal wieder kopfschüttelnd die horrenden (mal wieder gestiegenen) Kauf- und Mietpreise ins Auge gefasst werden. Umzug ausgeschlossen. Es sei denn, man ist bereit, ein ganz anderes Leben zu beginnen, in den Reihenhausquadern von Falkensee etwa.
Jetzt wirft der Schlafmangel bei den Kindern Unzufriedenheit auf, die Spielkameraden sind natürlich noch nicht zurück und die Langeweile macht hungrig, aber das Essen liegt im Supermarktregal. Es gibt noch keine Struktur im Tag, aber die Umgebung suggeriert, es sei alles wie immer. Das eine Kind will ins Freibad, das andere zur Freundin, die Milch ist alle. Man muss laut werden und die Zornesfalte auf der Stirn einsetzen. Ach ja: Es liegen gut 3 Wochen Urlaub hinter einem, da hat man kein Recht auf schlechte Laune. Wer sich nach maximaler Erholung gereizt fühlt, macht der überhaupt etwas richtig?
Der Tag nach der Rückkehr, er bringt meistens einen ganz normalen Rückkehrblues. Und viel zu viel schmutzige Wäsche. Aber zum Glück ist es nur der Tag nach der Rückkehr.