Wer aufs Land will muss nach Görlitz, und zwar zum Kühlhaus am Weinhübel. Am besten nicht irgendwann, sondern im September, wenn das Neulandgewinner- und ÜberLand-Festival lockt.

Das war am letzten Wochenende – und es war großartig. Ein bisschen wie Berlin 2000: Lauter Menschen, die Gesellschaft verändern wollen, die Agrarkonzerne satt haben, die gemeinsam und ökologisch bauen, gärtnern, leben wollen. Die Nischen suchen, nicht den Kommerz.
Die Neulandgewinner:innen leben diese Vision vor, und zahlreiche junge Menschen sind dem Aufruf gefolgt, mitzumachen – ein junges Paar aus Bonn, das dort nicht rausziehen kann, weil das Land zu voll ist, zu zersiedelt, zu teuer. Sie kommen nach Görlitz, genauso wie Studierende aus Göttingen und Berlin. „Ich will gar nicht mehr in Berlin studieren!“, resümiert die 20-jährige Felina am Sonntagmorgen: die Lausitz gefällt ihr, so viele spannende Möglichkeiten und Projekte, jetzt will sie lieber nach Görlitz an die FH statt an die FU Berlin – wo alle hinwollen.

Vielleicht liegt es ja daran: da, wo alle hinwollen, ist es mittlerweile voll und ungemütlich geworden, Raum für Experimente und um sich auszuprobieren, wie man es früher in Berlin erleben konnte, gibt es nicht mehr. Jetzt lockt die Weite des ländlichen Raums, die Leere, das Unfertige – und natürlich die niedrigen Preise. Sie locken so sehr, dass manche Dörfer zu wenig Wohnraum bieten können für den Andrang an Interessierten, erzählt etwa Klaus Hirrich, Gründer des Wangeliner Gartens.

Klar wird an diesem Wochenende: Es kommt jetzt darauf an, die Konzepte der Neulandgewinner:innen in Serie gehen zu lassen. Politische Anreize müssen her, nachhaltiges und gemeinschaftliches Wohnen attraktiv zu machen, statt der wachsenden Nachfrage auf den Dörfern und im Umland von Ballungsgebieten weiterhin mit Einfamilienhaussiedlungen und herkömmlichen Immobilien-Developern zu begegnen. Lehm- und Holzbau, wie er in Wangelin betrieben wird, als Bedingung an einen Grundstückserwerb zu knüpfen, wäre jetzt ein Schritt in die richtige Richtung. Wer sich die Immobilenportale ansieht, muss kopfschüttelnd feststellen, dass Neubauten immer noch ohne jegliches ökologisches Maß als Fertighäuser in die Gegend geklatscht werden, die dann „effiziente Energiehäuser“ genannt werden, aber letztendlich so zukunftstauglich wie Sondermülldeponien sind.
Die Neulandgewinner:innen beim ÜberLand-Festival wissen längst, wie es anders geht. Die Garagenhostels am Kühlhaus sind tolle Ausdrücke von einer Neubespielung alter Bausubstanz, genau wie die Baracken ehemaliger Bauarbeiter heute als Atelierräume dienen.










Nach dem Festival stärkt der rettende Gedanke: Die Chance auf sozialökologische Transformation schien niemals günstiger als jetzt zu sein! Und wenn mehr als 500 Menschen nach Görlitz kommen, dann sind da viele, die dieser Gedanke eint.
